Phantasiereisen im betrieblichen Einsatz

Stress am Arbeitsplatz begünstigt nachweislich die Entstehung von Krankheiten und psychischen Störungen und ist dadurch – ganz abgesehen von den oftmals verheerenden Folgen für die Betroffenen – zu einem erheblichen betrieblichen Kostenfaktor geworden.

Laut der bis jetzt größten internationalen Studie zum Thema „arbeitsbedingter Stress“, durchgeführt 2010 von der Europäischen Agentur für Sicherheit und Gesundheit am Arbeitsplatz, sehen vier von fünf europäischen Managern (79 %) Stress als vorrangiges Problem an, während nur 26 % der EU-Unternehmen Maßnahmen zur Stressreduktion treffen.

Hier gibt es riesigen Nachholbedarf – doch welche Methoden sind geeignet, um dem Stress am Arbeitsplatz wirkungsvoll zu begegnen?

Phantasiereisen, die in den letzten beiden Jahrzehnten sowohl im psychotherapeutischen als auch im pädagogischen Bereich verstärkt Anwendung finden, um eine Vielzahl von Problemen und Störungen zu behandeln, sind auch im betrieblichen Coaching auf dem Vormarsch.

Die Gründe dafür liegen auf der Hand: Phantasiereisen sind leicht durchzuführen, verursachen nur einen geringen Kostenaufwand und können nachweislich dazu beitragen, Stress abzubauen, Stressresistenz zu erhöhen und in vielen Aufgabenbereichen wirkungsvoll Verbesserungen zu erzielen – von der Förderung der Teamfähigkeit bis zur Steigerung der Kreativität.

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Mit Phantasiereisen Stress abbauen

Eines ist sicher: Ein stressresistenter Mitarbeiter, der auch unter hohen Leistungsanforderungen entspannt zu bleiben versteht, team- und kommunikationsfähig ist und von seiner Kreativität Gebrauch machen kann, ist eine wertvolle Unternehmensressource.

Und in allen diesen Bereichen können Phantasiereisen im Betrieb viel dazu beitragen, konstruktive Potenziale von Mitarbeitern und Führungspersönlichkeiten zu erschließen.

Stressmanagement hat sich längst zu einem eigenständigen Aufgabenbereich im betrieblichen Coaching entwickelt. Man versteht darunter die Fähigkeit, mit Stress auslösenden Reizen (Stressoren) so umzugehen, dass eine Stressreaktion ausbleibt oder zumindest in stark abgeminderter Form verläuft.

Stressoren können in innere und äußere Stressoren differenziert werden. Zu den äußeren Stressoren zählen beispielsweise Zeitdruck, hohe Leistungsanforderungen, Monotonie, Lärm, nicht vorhandene Entscheidungs- und Gestaltungsspielräume oder innerbetriebliche Konflikte (Mobbing, konfliktbelastetes Arbeitsklima, Konkurrenz).

Innere Stressoren liegen in der Persönlichkeit des Mitarbeiters selbst begründet – Versagensängste, Perfektionismus oder das Bemühen, es jedem recht zu machen, wären hier an erster Stelle zu nennen.

Sind Mitarbeiter ständig den Einwirkungen innerer und äußerer Stressoren ausgesetzt, ohne sie konstruktiv handhaben zu können, werden psychische und körperliche Reaktionen in Gang gesetzt, die kurzfristig das Wohlbefinden und die Motivation, langfristig sogar die körperliche Leistungsfähigkeit des Mitarbeiters deutlich beeinträchtigen. Es liegt also im vitalen Interesse des Arbeitgebers, solche Entwicklungen wirkungsvoll zu unterbinden.

Dazu können einerseits Stressoren im betrieblichen Umfeld reduziert werden – etwa durch die Verbesserung des Arbeitsklimas, des Lärmschutzes und der Arbeitsorganisation – und andererseits die Mitarbeiter für den Umgang mit Stress gezielt geschult werden.

Und hier macht der Einsatz von Phantasiereisen im Betrieb Sinn. Phantasiereisen sind ein erprobtes und wirkungsvolles Werkzeug, um den Umgang mit Stress auslösenden Faktoren zu lernen und die Fähigkeit zur Entspannung zu verbessern.

Wie Phantasiereisen funktionieren

Stress entsteht im Kopf – und zunächst ist er nichts anderes als ein Erregungsmuster verschiedener Nervenzellkomplexe im Gehirn. Diese Erregungsmuster beeinflussen die Aktivität verschiedener Hormondrüsen und Körperfunktionen wie Atmung, Muskelspannung und Herzschlag.

Es ist eine allgemein bekannte Tatsache, dass Stress zur Ausschüttung des Hormons Adrenalin aus den Nebennierendrüsen führt, das seinerseits eine Vielzahl von Körperfunktionen beeinflusst. Der Körper bereitet sich auf Kampf oder Flucht vor.

Kurzzeitig kann es dadurch sogar zu einer Steigerung der körperlichen Leistungsfähigkeit und der Aufmerksamkeit kommen, doch dieser Alarmzustand führt schnell zur Ermüdung und zum Nachlassen der Konzentrationsfähigkeit.

Phantasiereisen greifen tief in die neurologischen Verarbeitungsprozesse im Gehirn ein. Die angenehmen Vorstellungsbilder, die in Phantasiereisen vermittelt werden, führen ebenfalls zur erhöhten Aktivität bestimmter Hirnregionen und zur Ausschüttung von Hormonen – in diesem Fall ist jedoch die körperliche Reaktion das genaue Gegenteil der Stressreaktion.

Entspannung stellt sich ein, die Atmung wird ruhiger und tiefer, die Durchblutung von inneren Organen und Extremitäten wird verbessert. Im entspannten Zustand regeneriert sich der Körper, baut Stresshormone ab und kehrt zu seiner harmonischen Balance zurück.

Zusätzlich zu dieser körperlichen Wirkungsebene arbeiten Phantasiereisen mit Suggestionen und Handlungselementen, die Zuversicht, Lebensfreude und Optimismus vermitteln. Auf dieser psychologischen Wirkungsebene kann der Phantasiereisende Gelassenheit und Selbstsicherheit entwickeln, indem er lernt, mit Stress auslösenden Faktoren souveräner umzugehen.

Stressreaktionen sind immer zumindest zu einem Teil erlernte Reaktionen – und hier kann der Mitarbeiter aktiv erproben, sich in Stress auslösenden Momenten so zu verhalten, dass es nicht zu einer Stressreaktion kommt. Im Grunde lernt er damit, die in seinem Gehirn ablaufenden Prozesse gezielt zu beeinflussen, um einen entspannten, aufnahmebereiten Zustand aufrechtzuerhalten, der seine Konzentrations- und Leistungsfähigkeit fördert.

Phantasiereisen als Mitarbeiterschulung

Eine Phantasiereise nimmt etwa 15 – 30 Minuten in Anspruch. Dabei sitzen oder liegen die Teilnehmer in entspannter Position mit geschlossenen Augen, während sie der Stimme eines Sprechers folgen, der sie durch eine Abfolge von vorgestellten Szenen führt.

Zu Beginn der Sitzung – nach einigen einleitenden Worten über Sinn und Zweck der Übung – wird zunächst ein Entspannungszustand aufgebaut, der eine körperliche und psychische Umstimmung der Teilnehmer bewirkt und Stressprozesse unterbindet.

Hiernach folgt die eigentliche Phantasiereise, aus der die Teilnehmer zum Abschluss wieder in den normalen Wachzustand zurückgeführt werden. Ein nachbereitendes Gespräch, in dem das während der Phantasiereise Erlebte besprochen und verarbeitet wird, kann sich anschließen.

Der Zeitrahmen für die Durchführung einer Phantasiereise liegt je nach Thema und Umfang zwischen 45 bis 60 Minuten – ein geringer Aufwand für eine Mitarbeiterschulung, gemessen an anderen Feldern der innerbetrieblichen Fortbildung.

Besonders nützlich werden Phantasiereisen dadurch, dass die Teilnehmer eine wirkungsvolle Entspannungstechnik kennenlernen, die sie auch zuhause ohne größeren Aufwand anwenden können. Hierzu kann ihnen ein Tonträger – eine CD oder eine Audiodatei – zur Verfügung gestellt werden, den sie in eigener Regie auch außerhalb der Arbeitszeit nutzen können, um sich zu entspannen und so das Gelernte zu vertiefen.

Da Phantasiereisen ausgesprochen angenehm gestaltet sind und ein Gefühl tiefen Wohlbefindens vermitteln, ist die Bereitschaft in der Regel hoch, die Übungen auch zuhause fortzusetzen, denn die Teilnehmer erleben die positiven Effekte einer Phantasiereise meist schon während der ersten Anwendung.

Im Rahmen der Gesundheitsprävention am Arbeitsplatz können Phantasiereisen daher ein wirkungsvolles Mittel sein, um die Regenerationsfähigkeit und Stressresistenz der Mitarbeiter zu fördern, Arbeitsausfälle durch stressbedingte Erkrankungen zu reduzieren und Arbeitsklima und Produktivität zu verbessern.